Nein, so vermessen ist Jens Wonneberger nicht, sein eigenes Schreiben als "Weltliteratur" zu bezeichnen - wiewohl er mit Anfang 60 auf ein stattliches OEuvre blickt, allein zwölf Romane sind in den letzten gut 20 Jahren entstanden. Und auf ein literarisch herausragendes: Seine Prosa gehört wohl zum Besten, was derzeit im deutschsprachigen Raum geschrieben wird.
Als scharfer Beobachter, der mit wenigen Strichen Hülle und Kern eines Menschen zeichnen kann, erweist er sich auch in seinem neuen Werk. Es versammelt kürzere Texte, zeitlich und thematisch grob geordnet, entlang der Lebensstationen des Autors. Vom Selbstmord des Vaters erfahren wir gleich in der ersten Erzählung. Eine Ahnung davon, wie existenzielle Krisen entstehen können, liefert eine andere. Dazwischen vergnügliche Kinderspiele in einem Dorf unweit Dresdens in den 1960er Jahren, aber auch der Hausbesuch des Frisörs, den alle fürchten, weil er sein Handwerk beim Militär erlernt hat.
Von meisterhafter Präzision und Komik sind die Schilderungen der Arbeitstage in Baukombinat und Buchantiquariat. In Letzterem verdingt sich der Ich-Erzähler als Reinigungskraft und hilft einem Mann aus der Patsche, der verzweifelt auf der Suche nach einem Roman aus der Ming-Zeit ist - für die Antiquarin "Schweinekram", für den Kunden "Weltliteratur".
"Die Welt im Kleinen zu beschreiben", nennt Wonneberger als die wesentliche Antriebsfeder. Seiner Welt kommen wir in diesem Band ein gutes Stück näher.