Wie wird man die Person, die man sein will, ja sein muss? Duygu Agal aus Hamburg hat mit »Yeni Yeserenler« eine Coming Of Age-Geschichte aufgeschrieben, in der Goldene Birkenstocks und anstrengende Alman-Therapeutinnen genauso ihren Platz haben, wie die abweisenden Insignien einer Welt, die nicht für einen gemacht scheint, aber auch lesbische Liebe, ein Umzug von Hamburg nach Berlin, Frauenfußball, Gewalt, Verzweiflung, Emanzipation, Selbstbewusstsein, Freundinnenschaft und so vieles mehr.
Es ist beeindruckend, wie Agal in ihrem Debüt auf wenigen Seiten so viel erzählt. Agals Sprache besitzt eine Direktheit und Härte, die beim Lesen kalt erwischt. Dann wiederum umschmeichelt »Yeni Yeserenler« dich mit einer liebevollen Empathie, die berührt. Und ja, es geht in diesem Buch vor allem um Gefühle, mehr als um die Narration. Zwischen den einzelnen Kapiteln, manche länger, manche nur ein paar Seiten lang, wechselt Agal mit großer Selbstverständlichkeit die Erzählperspektiven - und die bringt wiederum einerseits die Figuren ganz nah an dich heran und ermöglicht ein Mitfühlen, ein Miterleben, dass alle Charaktere der Erzählung umschließt.
Die wichtigste Figur, neben Derin, die Dog¿an geheiratet hat, mit ihm Kinder hat, sich aber eigentlich immer noch zu ihrer Jugendfreundin hingezogen fühlt, ist zweifelsohne Derins Anne. Die Mutter scheint in diesem Text über alle anderen hinaus zu ragen. Einerseits, weil sie Derins großes Vorbild, ihre große Liebe ist, andererseits, weil Derins Lebensentwurf und Sexualität nicht mit den Wertvorstellungen ihrer Anne überein gehen. Und so ist »Yeni Yeserenler« wohl im Kern ein Buch über den inneren Kampf einer Tochter, die danach strebt sich von dieser überlebensgroßen Figur in ihrem Leben loszueisen, ohne sie und ihre Liebe zu verlieren. Ein Kampf, der Derins Denken und Fühlen bestimmt und der Motor für all die großen Entscheidungen ihres Lebens zu sein scheint - ob sie will oder nicht.