Werner Gadliger ist das Gegenteil eines Fotoreporters, der in fremdem Auftrag ein vorgegebenes Thema ablichtet. Vielmehr ist er eine Art Flaneur der die Kamera dann zur Hand nimmt, wenn ihm der Zufall flüchtige Bilder zuspielt, die er aus irgendeinem Grund unbedingt festhalten möchte. Unterwegs entdeckt und fotografiert er Dinge, die ihn berühren, neugierig machen, faszinieren. Er richtet den Fokus auch auf das Formale, spielt mit Natur und Architektur, choreografiert Menschen in ihrer Umgebung, macht etwas sichtbar, das erst in seinem Ausschnitt unvermutet Bedeutung gewinnt. Gadligers individuelle Bilderwelt setzt sich aus einer Vielfalt eingefangener Momente zusammen, die als Fotografien universale Aussagekraft entwickeln.
Nora Iuga ist eine eigenwillige Dichterin. Sie schreibt noch immer unentwegt, Prosa und Gedichte, "diese ungebärdigen, sinnlich prickelnden Texte", wie Werner Morlang sie treffend nennt. Alter heißt für Nora Iuga nicht Zurücklehnen und den verdienten Ruhm genießen, den sie gerade auch im deutschen Sprachraum in den letzten Jahren erlangt hat. Nein, er wird von ihr vielmehr "als Möglichkeit genutzt, sich von Befangenheit und Konventionen loszusagen und einer entfesselten Imagination die Zügel schießen zu lassen".
Zwischen den Texten der Lyrikerin und den Bildern des Fotografen manifestiert sich eine verblüffende Wechselwirkung. Sowohl Nora Iugas wie Werner Gadligers Arbeiten ist eigen, dass sie einen verstörenden Zeitgeist heraufbeschwören, Erlebtes verdichten, dem Individuum in der globalen Verlorenheit nachspüren, Brüche und Übergänge thematisieren, die Poesie im Alltäglichen sichtbar machen, über Grenzen blicken - Grenzen zwischen Ahnung und Erinnerung, Leben und Tod, Realität und Traum. Schreibend und fotografierend erschaffen sie magische Momente, die im vorliegenden Band in einen Dialog miteinander treten.